Testbericht

PIO Sound Falcon im Test

2.5.2012 von Holger Biermann

Eine renommierte Entwicklergruppe legt unter dem Label PIO eine Aufsehen erregende Serie von Elektrostaten auf. stereoplay hat das erste Modell im Test.

ca. 5:20 Min
Testbericht
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© stereoplay
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PIO Sound Falcon
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Gaston Bastiaens ist ein technisches Multitalent, wie man es heute nur noch selten antrifft. Der Belgier, der in seinem früheren Leben bei Philips im Rang eines Vize-Präsidenten die Entwicklung und Einführung des CD-Players verantwortete, arbeitet nun schon seit vielen Jahren an der Perfektionierung der Lautsprecher-Wiedergabe - und ist dabei der Faszination elektrostatischer Konstrukte erlegen.Seine ersten professionellen Produkte liefen unter dem niederländischen Label Final und waren - neben den legendären Quad-Modellen - lange Zeit die einzige ernsthafte Konkurrenz zum Weltmarktführer Martin Logan. Doch der wirtschaftliche Erfolg von Final blieb aus, und Bastiaens zog sich zurück, um darüber zu sinnieren, wie man die Elektrostaten noch besser machen könnte. Der Tüftler fand etliche Ansätze, die er in seinen neuen PIO-Sound-Modellen umsetzen will - und er fand vor allem veritable Mitstreiter.

Das perfekte Team

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© stereoplay

Da wäre neben dem top besetzten PIO-Team, das mit Ronald Buining einen der versiertesten Elektrostaten-Entwickler an Bord hat, vor allem Karl-Heinz Fink zu nennen. Der Kopf der Fink Audio-Consulting (die auch den Phonosophie DAC 1 ersonnen hat) ist einer der weltweit kompetentesten Lautsprecher-Entwickler und half bei der akustischen Abstimmung. Mit ihm kam auch Uwe Kempe zu dem Projekt. Deutschlands profundester Raumakustiker hat schon in den frühen Neunzigern zu Dipol-Subwoofern geforscht. Da die kleineren PIO-Modelle, wie auch der hier vorgestellte Falcon, Hybrid-Konstruktionen mit konventionellen Tieftönern sind, ist dieses Wissen nun für Bastiaens Gold wert.Denn eins ist dem Belgier in seiner Zeit des Nachdenkens bewusst geworden: Man kann zu einer elektrostatischen Fläche mit Dipol-Abstrahlung nicht einfach einen - auch noch so guten - Subwoofer addieren. Der Elektrostat strahlt nach vorn und nach hinten in Form einer Acht ab (also sehr wenig Energie zu den Seiten), der Subwoofer dagegen fast kugelförmig.

Die Konstruktion

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Die Elektronik ist eng gepackt im Sockel verstaut und erlaubt dezente Veränderungen der Bass-Wiedergabe (Pfeil).
© stereoplay

Mit den alten Final-Modellen haben die PIOs eigentlich nur noch das Prinzip gemein, ansonsten ist alles neu. Ronald Buining entwarf zusammen mit der Uni Eindhoven eine neue Folie beziehungsweise deren Beschichtung. Gaston Bastiaens ersann eine Maschine, welche die Folie fest über den Rahmen spannt - von jeher ein Schwachpunkt bei Elektrostaten. Uwe Kempe erdachte derweil ein äußerst trickreiches Tieftonteil, das auch in seinem Abstrahlverhalten perfekt zu dem Elektrostaten-Panel der Falcon passt.Die Messungen unten verdeutlichen die Wirkweise dieses "Kardioid" genannten Tieftonsystems. Um das gewünschte Abstrahlverhalten zu erzielen, arbeiten zwei 7-Zoll-Tieftöner zusammen: einer im geschlossenen, einer im offenen Dipol-Gehäuse. Die beiden Töner werden über eine Zeitverzögerung so geschickt angesteuert, dass sich genau die gewünschte Abstrahlkeule einstellt. Das geht natürlich nur mit einem aktiven Bass. Die Ansteuerung des wattsaugenden Tieftonteils mit einer 150 Watt starken Endstufe hat einen weiteren Vorteil: Man kann die Falcon auch mit kleinen (aber bitte schön feinen!) Verstärkern betreiben.

Das Gehäuse

Falls man bei der Falcon überhaupt von einem Gehäuse sprechen kann ... Nun, das Gestell, das die Folie hält, ist aus Aluminium, zwei Zentimeter tief und absolut verwindungssteif. Der untere der beiden Tieftöner steckt zusammen mit der Elektronik in einer angeflanschten, kleinen Holzbox. Sowohl Alu-Rahmen als auch der Holzteil sind perfekt verarbeitet; Spaltmaße, wie bei den früheren Final-Modellen öfter gesehen, sind hier absolut Fehlanzeige.

Die Messungen

... weisen die Falcon als echten Leisetreter aus. Mit einem Wirkungsgrad von 81,5 Dezibel und 101 Dezibel maximalem Schalldruck ist die Falcon nicht eben die erste Wahl für Techno- oder Party-Jünger. Viel mehr überzeugen hier der fast lineare Frequenzgang und der stattliche Bass bis runter auf 50 Hertz - bei so einem kleinen Gehäuse! Schön. Nicht so schön, aber absolut Elektrostaten-typisch ist die sehr niedrige Impedanz zum Hochton hin. Weil oberhalb 10 000 Hertz nur wenig Leistung fließt, spielt das kaum eine Rolle. Außer bei Röhrenverstärkern: Deren Trafos kommen mit niedrigen Impedanzen nicht gut zurecht.

Die Aufstellung

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Der obere der beiden Tieftöner strahlt als reiner Dipol auch nach hinten ab und verändert so die Charakteristik des unteren Basses in der geschlossenen Box.
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... ist wie bei allen Dipol-Strahlern auch bei der Falcon ein wichtiges Thema, weil sie halt die gleiche Energie wie nach vorn noch einmal nach hinten abstrahlt. Dennoch gab es im Hörraum erstaunlich wenige Probleme. Schon nach ein paar Versuchen war die richtige Position gefunden; selbst mit dem - für Elektrostaten - recht nahen Abstand von 70 Zentimetern zur Rückwand klang es einwandfrei.Doch das spezielle Bassverhalten der Falcon ermöglicht mit etwas Mühe und Wissen sogar eine absolut perfekte Wiedergabe. Dank der keulenförmigen Bassabstrahlung kann der Nutzer mit etwas Glück die Anregung besonders nerviger Dröhn-Resonanzen vermeiden: ein großer Vorteil.

Große Homogenität

In diesen zwei Worten lässt sich der erste und auch der bleibende Klangeindruck der Falcon beschreiben. Nie gab es ein Auseinanderfallen von Elektrostat und Bass, der Tieftonbereich war immer ein Teil des harmonischen Ganzen. Überhaupt: Die Falcon produziert einen Bass, dass man sich die Augen reibt. Wo nimmt sie nur die Substanz her, woher diese Präzision bei Kick-Bässen? Selbst den wabernd-wummernden Elektrobässen von Underworld ("Beaucoup Fish") verliehen die PIO-Tieftöner Struktur und Ordnung. Hier spielt neben der exzellenten Konstruktion sicher auch die Abstrahlcharakteristik eine Rolle. Wir konnten die Falcons so aufstellen, dass die störenden Raummoden nicht angeregt wurden.Auch pegelmäßig war dem Bass nichts vorzuwerfen; hier begrenzte eher das Mittelhochton-Panel, das mit einem dezenten Knistern auf seine Überlastung hinwies. Da sprechen wir allerdings schon von wirklich gehobenen Lautstärken. Mit normalen Pegeln ist die klangliche Performance der Falcon ein Traum: Um die beiden Flächen entstehen Klangbilder von hoher Genauigkeit, aber auch großer Schönheit. Die räumliche Abbildung und die Impulsivität einzelner Schallereignisse kommen wie selbstverständlich aus den Flächen; alles fließt, alles tönt absolut realistisch.

Die Stimme von Constanze Friend ("Wonderful World") klingt genau so, wie die Falcon sie aus ihren elektrostatischen Flügeln haucht. Ein toller Lautsprecher.

Meinung

Endlich. In das immer noch zu wenig beachtete Elektrostaten-Segment kommt wieder Bewegung. Mit ihrem dezenten Äußeren und ihrer wunderbar homogenen Wiedergabe ist die PIO beste Botschafterin für ihre Art der Wiedergabe.

Technik im Detail

Abstrahlverhalten im BassDas Abstrahlverhalten des Elektrostaten ist aufgrund seiner nach hinten offenen Bauweise dipolar. Das resultiert in einer Abstrahlkeule sehr ähnlich einer Acht. Da Elektrostaten in Falcon-Größe in der Regel nur wenig basstauglich sind, ist eine Kombination mit einem konventionellen Subwoofer sinnvoll - aber leider auch sehr schwierig, denn der Bass strahlt über weite Strecken kugelförmig ab, was überhaupt nicht zu den Elektrostaten passt. Damit der Bass energetisch (und damit klanglich) nicht völlig aus der Rolle fällt, sind einige Tricks vonnöten. PIO Sound beziehungsweise Uwe Kempe ließ sich hier eine Kombination zweier Tieftöner einfallen: einer im offenen, einer im geschlossenen Gehäuse. Über eine aktive Ansteuerung der beiden kann zudem der eine etwas zeitverzögert gespeist werden. Mit diesem Trick lassen sich selbst im Bass Abstrahlkeulen ausbilden; es entsteht ein sogenannter Kardioid. Die Wirkung dieses Konstrukts zeigen die Messungen rechts: Mit steigender Frequenz wird die Keule immer Acht-förmiger - und entspricht so haargenau dem Verhalten des elektrostatischen Panels. So entsteht ein absolut harmonischer Übergang.

Eingeschränkte Energie im Bass

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Eingeschränkte Energie im Bass
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Die Darstellung zeigt die gesamte Energieverteilung der Falcon-Basseinheit über alle Frequenzen und Winkel. Rot steht für besonders intensiv, Schwarz für das Gegenteil. Von 0 bis etwa +/- 120 Grad (siehe Skala links im Bild) ist die Intensität der Abstrahlung hoch. Hinzu kommen einzelne, schmalbandige Ausbrüche wie der bei 120 Hertz. Doch je größer der Winkel und je höher die Frequenz, desto weniger Energie wird abgestrahlt. Bei einem konventionellen Subwoofer wäre das Diagramm übrigens fast vollständig rot oder orange gefärbt.

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